Achim Niemann: Zwischenspiel, 2007

Ute Gallmeister ist seit ihrer Kindheit von der flachwelligen, eiszeitlich geformten Landschaft Mecklenburg-Vorpommerns geprägt. Auf niedrigen Strandwiesen wächst Heidekraut, das im August violett wird, weißes Wollgras weht wie Watte im Wind. Auf dem sanft gewellten Meeresgrund zeichnen sich nass dunkle Steine ab, an denen schwarzblaue Muschelbänke kleben. Die Sandwege entlang laufend, sieht man Kuhherden im Gras zwischen den Laubbäumen wie auf holländischen Gemälden aus
dem 17. Jahrhundert.
In Ute Gallmeisters Zeichnungen mit ihrem horizontalen Landschaftsvokabular platzieren sich manch skurrile Gebilde, die dem Meeresboden, einer nebelverschleierten Sumpfebene oder einem herbstlich verwaisten Garten entflohen scheinen.
Ute Gallmeister besitzt ein sicheres Gespür für Farbe. Die konzentrierten weißen Bilder der Diplomzeit scheinen ihr nur noch ein Anfang, ein weißes Gedicht, ein Gedicht ohne Worte zu sein. Nach Farbe drängend, reicht ihre Palette vom gewagten Orange/Gelb über die Rotfamilie bis hin zum Blau und Grün. Ein großer Teil der Bilder bewegt sich in erdiger Tonigkeit und erfährt im Zusammenspiel mit Grauwerten Farbschwingung. Im freien Linienspiel und klarem, spannungsvoll gesetzten Formenrhythmus sind die Bilder ganz aus der Malerei heraus entwickelt. Die Linien der Zeichnung verbinden nach und nach die Farbflächen miteinander. Zeitweise erscheint ihr Temperament, ihre Lust.
am Malen und Leben durch barocken Linienfluss und Farbe ganz direkt. Sie ist auf der Suche nach Entschiedenheit von Linie, Farbe und Form, nach dem Ausschluss des Zufälligen und Sentimentalen. Am Ende des Malprozesses sollte nichts mehr hinzu- oder wegmüssen. Es ist das Organisieren der Fläche, der Raum entsteht von selbst. Dem Betrachter bleibt das Selbstverständnis der Arbeit.
Sehnsucht nach Begegnung und die Suche nach harmonischer Balance, die Frage nach dem Wesen ihres Seins sind es, die immer wieder Arbeiten von Ute Gallmeister bestimmen. Das Spiel ist ihr Voraussetzung zum Kunstmachen: Kunst – ein Hauch von Musik oder Traum, etwas, das fühlen lässt, das kein Denken erlaubt. Sie teilt uns ihre Lust mit, indem sie schafft. Sie reiht sich ein in die Gruppe derer, die die Sichtbarmachung des Unsichtbaren hinter den Dingen nachsinnen. Die Krücke der
Wirklichkeit bleibt ihr eine Stütze. Ihre Einsamkeit – eine geheime Würde, eine Unvermittelbarkeit, das Wissen um eine ungreifbare Einzigartigkeit – begleitet sie bei der Arbeit im Atelier. Hier gelingen ihr die prosaischsten Dinge, schaffen ihre Hände von selbst, entfernt sie sich vom Motiv, dem anregenden Gegenstand. Hier bewegt sie sich ungebunden, gibt sie alles transponiert wieder: Farbe und Form, die Malerei direkt.
Das Bild führt auf den Prozess seines Machens zurück und genau dieser ist in den Arbeiten von Ute Gallmeister sichtbar. Der erste Entwurf, immer wieder überlagert von miteinander korrespondierenden, sich mitunter widersprechenden Farbschichten und Linienrhythmen, wandelt sich zu einem Gefüge, das zu Assoziationen anregt und sich ihnen gleichermaßen entzieht. Das Bild erhält sein Eigenleben, seine eigene Wirklichkeit und bleibt bei aller Verdichtung zum Ende hin offen.
Ein matter Schwall trüben Sonnenlichts brannte mir das physische Empfinden des Sehens in die Augen. Das Gelb der Hitze stand still vor dem Grün-Schwarz der Bäume. Reglosigkeit …”. So ein Zitat von Fernando Pessoa