Katrin Arrieta: Der Faden bleibt und endet nicht. Zur Malerei Ute Gallmeisters

Ute Gallmeisters Malerei fußt auf jenen gewachsenen Positionen ostdeutscher Kunst, deren Bildvokabular aus der alltäglichen Lebenswelt stammt und, stark verinnerlicht, in eine Konstellation überführt ist, wo die elementaren Zusammenhänge von Form, Farbe und Linie als Träger einer aus der Wirklichkeit der Dinge in die des Geistes hinüberreichenden Bedeutung erstrangiges Ziel der Zuspitzung sind. Ein Blick in ihre Skizzenbücher und auf ihre vielen losen Zeichnungen zeigt, wie sie Eindrücke aus der Umwelt direkt zu Bildern verarbeitet: Geschehen auf der Straße, Reiseerlebnisse, Natur, menschliche Begegnungen, Kunst. Sie ist äußerst sparsam im Aufnehmen und verblüffend genau: Nur Weniges bleibt wirklich im Skizzenhaften, die meisten ihrer Zeichnungen sind hoch verdichtete und oft schon malerisch behandelte Kabinettstücke, in denen die entscheidende Umformung des Gesehenen bereits weitgehend vollzogen ist. Als Anhalts- und Ausgangspunkte ihrer Malerei liefern sie deren Kernmotive in nahezu hieroglyphenartiger Form, als visuelle und mentale Informationen – eine Voraussetzung für das freie Weiterführen im Atelier. Wenn Ute Gallmeister malt, überträgt sie indessen keine fertigen Motive ins Große, sondern scheint vielmehr den Weg zum Erlebnis im Geiste zurück zu gehen. Sie begibt sich auf eine gleichsam archäologische Spurensuche nach dem Gewesenen, bei der benachbarte Assoziationen hinzutreten und die langsam wachsende Bildgestalt mehrfach verändern. Diesem ergebnisoffenen Arbeiten entspricht in den Bildern ein geschichteter Aufbau von locker strukturierten Flächen, die einander überlagern, sich wechselweise verdecken und freilegen – manchmal mit unvermittelt heftigem Gestus, als reiße etwas auf und bringe das ansonsten stabile Gefüge der Bilder ins Wanken. Ihr orthogonales Grundraster schafft Festigkeit, dabei ist die Malerei leicht, ja transparent. Ein immaterieller Raum wird suggeriert, wo Figur und Landschaft als Anlage in der Schwebe bleiben: in der Gestalt der großen, fast monumentalen Farbformen und der durch sie hindurch verlaufenden Konturen einer schemenhaften Figürlichkeit, die im offenen Bildraum verlischt, nicht ohne sich als Spur im Sinne eines Fadens, der der Wiederaufnahme harrt, auch weiterhin zu erkennen zu geben. Es sieht so aus, als kreise diese Malerei nun schon seit Jahren um dies offen bleibende figürliche Programm, auf immer neuen Feldern möglicher Vertiefung und Ausdrucksvarianz schweifend, sich mal der Farbe mit Nachdruck und durchaus einseitiger Vorliebe bemächtigend, dann wieder aus der Farbenlust heraustretend und in fast keuschem Abstand dazu sich dem Problem des Kolorits aus der Perspektive zeichnerischer Erfindungsfreude von Neuem nähernd. Dabei ändert sich der Tenor der gemalten Raumandeutungen stets merklich, aber nie gravierend. Der Freiheitsbereich, den das in ihnen nicht und immer weiter nicht zu einem Abschluss gebrachte Figürliche beansprucht, bleibt erhalten, solange das ihn tragende Gleichgewicht aus Farben und Linien noch anders definiert, ein nächstes und übernächstes Mal mit der Energie und dem großen Atem eines ersten, abenteuerlichen Versuchs errichtet werden kann. In Ute Gallmeisters Bildern geht von dieser aufrechterhaltenen Schwebe ein Hauch darstellerischer Gewandtheit aus. Sie ist bereits Programm und wird vor dem Hintergrund gelungener Abenteuer ähnlichen Formats mit gesicherten Mitteln herausgearbeitet. Eine Plattform ist entstanden, von der aus die Bilder mit einer deutlichen Identität ausstrahlen.